Nachruf auf Joachim Herrmann

Bild: Westfälische Volkssternwarte Recklinghausen
Am 28. Dezember 2024 starb in Recklinghausen im Alter von 93 Jahren Joachim Herrmann. Von 1963 bis 1996 war er Leiter der Westfälischen Volkssternwarte und des Planetariums Recklinghausen. Mit Joachim Herrmann hat der Verein eine besondere Verbindung, war er doch von 1957 bis 1962 Wissenschaftlicher Leiter der Wilhelm-Foerster-Sternwarte in der Papestrasse.
Das Leben von Joachim Herrmann war geprägt von der Berufung, astronomische Zusammenhänge zu publizieren und für jedermann verständlich zu erklären. So gehört er 1952 zu den ersten Mitgliedern der gerade in Berlin gegründeten „Vereinigung der Sternfreunde“ (VdS). Im schwäbischen Reutlingen organisierte er astronomische Fortbildungskurse mit „Astronomischen Wochen“ und konnte dort 1956 die Einweihung der Volkssternwarte feiern. 1957 wechselte er als hauptamtlicher wissenschaftlicher Leiter an die Wilhelm-Foerster-Sternwarte, die damals in der Papestrasse gerade den 12“-Bamberg-Refraktor installierte und in Betrieb nahm. Das bescheidene Gehalt musste er durch schriftstellerische Tätigkeit „aufbessern“ für einen angemessenen Lebensunterhalt. Sein verständlicher Schreibstil machte ihn zu einem würdigen Nachfolger von Bruno H. Bürgel und Robert Henseling. Die Bücher „Astronomie – eine moderne Sternkunde“ (1960), das „Tabellenbuch für Sternfreunde“ (1961) und „Das falsche Weltbild – Astronomie und Aberglaube“ (1962) entstanden hier in Berlin.
Die intensive schriftstellerische Tätigkeit führte aber auch zu Konflikten. Die umfangreichen Recherchen in Berliner Bibliotheken und das Verfassen von Texten kosteten Zeit, die die Senatsschulverwaltung lieber gern in Veranstaltungen von Volkshochschulen und im Schulbetrieb gesehen hätte. Mitten in den Vorbereitungen zum Umzug der Sternwarte auf den Insulaner bewarb sich Herrmann daher auf die ausgeschriebene Stelle in Recklinghausen, gleichzeitig mit Adolph Kunert, der von Lübeck aus eine Stelle in der astronomischen Volksbildung anstrebte. Der Fama nach entscheiden manchmal fachfremde Tatsachen: Herrmann war katholisch und wurde genommen.
Berlin bewarb sich dann um den „Verlierer“: Kunert wurde 1963 Wissenschaftlicher Leiter der WFS. H.B Brenske zu dem Vorgang: „Der (Herrmann) wollte doch nur Ruhe zum Bücherschreiben, die hat er hier in Berlin nicht gefunden“ (Zitat nach meiner Erinnerung). Im Nachhinein hat jeder sein Betätigungsfeld gefunden, das ihm entsprach, und hat dabei „vor Ort“ Mustergültiges geleistet.
Recklinghausen war keineswegs nur ein ruhiger „Rückzugsort“ zum Bücherschreiben. In Nachbarschaft zur nahen „Konkurrenz“ in Bochum entwickelte er die Westfälische Volkssternwarte durch sein engagiertes Wirken für die Popularisierung der Astronomie zu einem Ort der kompetenten Erwachsenenbildung und zuverlässigen Information wissenschaftlichen Fortschritts, ohne dramatisierende „Show“, immer mit persönlicher Zuwendung und Ansprechbarkeit in den Veranstaltungen. Darin war er Adolph Kunert und Hermann Mucke in Wien sehr nah!
Schon 1966 konnte er ein Kleinplanetarium mit einer 8 m-Kuppel und einem ZKP1-Projektor aus Jena eröffnen. Die „Handbedienung“ dieses Himmelsprojektors mitten unter den Zuschauern kam seiner Vorstellung von individueller Vorführung sehr entgegen. 1985 konnte er das ZKP1 durch das moderne Modell ZKP2 (Skymaster) ersetzen.
Das Recklinghausener Vortragsprogramm (am Mittwoch wie in Berlin) verzeichnete viele hochkarätige Vortragende und erfreute sich schon bald weitläufiger Bekanntheit und blieb eine dauerhafte Einrichtung der Recklinghausener Sternwarte.
Zum Thema „Bücherschreiben“: über 20 populärwissenschaftliche Veröffentlichungen entstanden in Recklinghausen (die meisten erschienen im Kosmos-Verlag), darunter 1980 „Das große Lexikon der Astronomie“ (letzte Neuauflage 2001), das ich persönlich unter vergleichbaren Veröffentlichungen besonders schätze, weil es anschaulich und in verständlicher Sprache mit großer Zuverlässigkeit in den Daten die astronomischen Fakten beschreibt und verlässliche Kurzbiographien verdienstvoller Wissenschaftler enthält.
Weiterhin war er beteiligt an mehreren enzyklopädischen Buchreihen und bei der Übersetzung einschlägiger fremdsprachlicher Veröffentlichungen. Mehrere Werke von Herrmann sind in insgesamt 14 verschiedene Sprachen übersetzt worden.
Für seine Tätigkeit wurde Joachim Herrmann mehrfach ausgezeichnet:
1986: Bruno-H.-Bürgel-Preis der Astronomischen Gesellschaft für seine populären Darstellungen astronomischer Forschungsergebnisse,
1995: Vestischer Preis für seine Verdienste um die astronomische Volksbildung,
2005: VdS-Medaille für sein Lebenswerk, insbesondere sein Wirken zur Popularisierung der Astronomie.
Der Unterzeichnete verdankt Joachim Herrmann inspirierende Begegnungen als Oberstufenschüler damals in der Papestrasse, die ihn motivierten, 1961 in den Verein einzutreten und dem 1960 in Berlin nicht studierbaren Fach „Astronomie“ sich auf andere Weise zu nähern und darin „heimisch“ zu werden.
Die Verbindungen mit der Wilhelm-Foerster-Sternwarte sind in all den Jahren von Herrmanns Tätigkeit in Recklinghausen stets freundschaftlich erhalten geblieben; insgesamt 18 Einträge in die Liste der „Mittwochsvorträge“ als Vortragender zwischen 1965 und 1998 zeugen von anhaltender gegenseitiger Wertschätzung.
Karl-Friedrich Hoffmann